Protestanten könnten Religionsdialog moderieren
Christian Nürnberger traut es ihnen zu
Einen spannenden und fundierten Vortrag erwartete Dekan Matthias Büttner vom Mainzer Publizisten Christian Nürnberger – und bekam ihn ebenso wie alle Gäste, die der Einladung zum Empfang des evangelischen Dekanatsbezirks in die Christuskirche gefolgt waren.
Im Gedenken an „ 500 Jahre Reformation“ warf der vielseitige und engagierte Autor und Journalist einen humorvollen, kritisch hinterfragenden Blick auf die Situation, in der sich der Mönch und fromme Katholik Martin Luther vor fünf Jahrhunderten befand. Seine Absicht sei niemals die Spaltung der Kirche gewesen, sondern ihm ging es darum, dem Ablasshandel ein Ende zu bereiten. Mit beinahe kabarettistischen Federstrichen skizzierte Nürnberger dieses Unwesen, auf ähnliche Weise analysierte er den Nährboden, auf dem sich die evangelische Kirche entwickelte.
Seinen brillanten Vortrag in intellektueller Schärfe an dieser Stelle wiederzugeben, überstiege das Maß einer lokalen Zeitungsseite. Nur einige wesentliche Gedanken zur Gegenwart seien noch dargestellt. Während das Dilemma zwischen Einheit und Wahrheit in der katholischen Kirche eher zugunsten der Einheit unter dem Papstwort gelöst werde, neige die evangelische Kirche dazu, der Wahrheit derart den Vorzug zu geben, dass sie sich lieber weiter zerfleische und weitere Spaltungen in Kauf nehme (es existieren die evangelisch-lutherische, die reformierte und die unierte Kirche). Weil es für beide Seiten in ihrem Konflikt eigentlich keine Lösung gebe, brauchen sie sich gegenseitig.
Bei den Protestanten würde zwar häufig ein klares Profil vermisst, dafür hätten sie Konfliktfähigkeit gelernt. Vielleicht würden sie sich deshalb dafür eignen, die Moderation zu übernehmen in einem Dialog, der die christlichen Kirchen untereinander und mit den anderen Religionen zu einer versöhnten Verschiedenheit führen möchte.
Diese Zielvorstellung traf das Empfinden aller intensiv applaudierenden Anwesenden, zu denen neben den Angehörigen des evangelischen Dekanats auch der katholische Dekan Andreas Krefft und politische Mandatsträger wie Bürgermeister Bruno Altrichter und Landrat Thomas Habermann gehörten. Das gute Verhältnis zwischen Kirche und Kommunalpolitik in Bad Neustadt hob Dekan Büttner ausdrücklich hervor.
Auf Christian Nürnberger war Büttner durch das Buch „Kirche, wo bist du?“ aufmerksam geworden. Seine Neuerscheinung (gemeinsam mit seiner Frau Petra Gerster) zum Lutherjahr „Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten“ ließen sich viele Zuhörer von einem Autor signieren, der sie mit seiner Sichtweise und sprachlichen Darstellung überzeugt hatte.