In jeder Hinsicht großes Musiktheater: Das Kindermusical „Elias und der Wettstreit der Götter“ in Bad Neustadt

Kindermusical Elias 3.7.24 NES Bühne1
Bildrechte Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Bad Neustadt an der Saale

Der erste Wow-Effekt stellt sich im Publikum der Stadthalle in Bad Neustadt gleich zu Beginn ein, als der Bühnenvorhang aufgeht: Arrangiert zu einem großen Ganzen präsentiert sich die Szenerie eines prächtigen Thronsaales, der von zahlreichen Kindern und Jugendlichen in bunten Gewändern belebt ist. Wie auf einer Tribüne sitzen der „Jugendchor Teenies“ und der „Kinderchor Kids“ zur Rechten und Linken des Herrscherpaares König Ahab und Königin Isebel, gespielt von Hannah Möller und Franka Wirsing. Links vorne zu Füßen der Statue eines überlebensgroßen rotbraunen Muskelmannes mit Stierkopf hat sich in blauen Gewändern der „Kinderchor Minis“ gelagert. Und rechts begrenzt die sechsköpfige Band im schwarzen Outfit den Raum, optisch dezent, aber musikalisch höchst präsent, wie sich gleich bei der Eingangsmusik zeigt. Seit Anfang des Jahres proben Karin und Thomas Riegler mit den drei Chören für das Kindermusical „Elias und der Wettstreit der Götter“, das im vergangenen Jahr von ihrer Tochter Anne getextet und komponiert wurde. Und nun kam es am 3. Juli zur Uraufführung in Bad Neustadt, unter besten Bedingungen, wie am Ergebnis zu erleben ist. Denn eine Aufführung mit über 60 Kindern und Jugendlichen auf diesem hohen Niveau erfordert ganz unterschiedliche Beiträge, die sich dann für zwei Abende perfekt zusammenfügen lassen.

Gisela Morawe-Saal hilft "Königin Isebel", das selbst geschneiderte Kostüm anzulegen.
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Gisela Morawe-Saal hilft "Königin Isebel", das selbst geschneiderte Kostüm anzulegen.

Eine große Zahl zuverlässiger, kompetenter und gut eingespielter Frauen und Männer kümmert sich im Vorfeld und im Hintergrund für die ganz verschiedenen „handgreiflichen“ Mosaiksteinchen, die für ein derartigen Projektes passgenau zusammengesetzt werden müssen: Kostüme, Maske, Bühnenbau usw.  Und zum anderen ist da natürlich die jahrzehntelange Tradition der Chorarbeit mit Kindern und Jugendlichen, die von Karin und Thomas Riegler seit 2001 in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde in Bad Neustadt gepflegt wird. Sie kennen ihre jungen Chormitglieder oft schon seit deren Vorschulzeit und fördern ihre Entwicklung über Jahre hinweg. Das reicht von ersten Auftritten im kleinen, eher familiären Rahmen bis zu den möglichen Hauptrollen in eben diesen großen Kindermusicals. Dafür sind dann allerdings auch zahlreiche Einzelproben und besondere Stimmbildung nötig, die nicht jedes Kind auf sich nehmen würde. Unter allen schönen Stimmen ragte diesmal in der Rolle des Elias der erst elfjährige Julius Federlein heraus. Nicht nur dass er eine immense Menge Text fehlerlos auswendig konnte und die gesungenen Stücke mit seiner glockenhellen Stimme tonsicher und ausdrucksvoll sang – er bewegte sich auch noch in seinen Szenen genau passend zur Musik und zur Handlung. Wie es sich eben in einem Musical gehört und damit perfekt. Neben ihm trugen zahlreiche andere Kinder und Jugendliche in Einzelrollen dazu bei, dass die Besucher der Uraufführung siebzig Minuten voller witziger, spannender und ergreifender Szenen genießen konnten. Witzig: der gesprochene Dialog zwischen Elias und seinem Diener, gespielt von Mina Friedel, die mit Wortspielereien rund ums Stichwort „Blau“ nach den ersehnten Regenwolken Ausschau halten. Spannend: Flehen und Spott im Hin und Her des Wettstreits zwischen Elias, dem Propheten Gottes, und den Priestern des falschen Gottes Baal. Und besonders ergreifend: der kurze Auftritt des Engels, gespielt von Sofia Bernhard, der Elias Mut zuspricht. Auch wer sonst nicht an Engel glaubt, tut es hier für einige Minuten.

Elia auf der Mauer
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Elias (Julius Federlein) klagt zu Gott...
Engel bei Elias
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... und wird von einem Engel ermutigt.


Das alles und der dramaturgische und musikalische Aufbau des Musicals machen es den Zuschauenden leicht, sich problemlos in der Handlung zurechtzufinden. Wer nachlesen will: In der Bibel, im Ersten Buch der Könige, Kapitel 17-19, und im Zweiten Buch der Könige, Kapitel 2, steht unter anderem geschrieben, wie Elias im Wettstreit der Götter gegen Königin Isebel gewinnt. Felix Mendelssohn-Bartholdy hatte bereits 1846 sein Oratorium „Elias“ komponiert, das Übrigens am 17. November dieses Jahres in der Christuskirche in Bad Neustadt ebenfalls unter der Leitung von Karin und Thomas Riegler aufgeführt werden wird.
Doch ein Kindermusical zum Stoff des Propheten Elias gab es bisher noch nicht. Da bot es sich an, so gibt Komponistin Anne Riegler gerne Auskunft, diese Lücke für 2024 mit einem eigenen Werk zu füllen. Es sei nämlich gar nicht so leicht, eine biblische Geschichte zu finden, die Potential für Musiktheater habe und noch nicht für Kinder- und Jugendchöre bearbeitet worden sei. Ihr ist es wichtig, dass die Melodien und musikalischen Arrangements jeweils „den Affekt des Textes treffen und die dazu passenden Stimmungen transportieren“. Dazu ging sie gezielt einen musikalischen Stil-Mix ein. Dementsprechend begleitet die allein schon hörenswerte Band in der Stadthalle Chor und Solisten mal poppig, mal choralartig, mal jazzig, mal im Latin-Stil. Manche Solo-Lieder werden als gefühlvolle Balladen nur mit Klavier (Anne Riegler) und einem Melodieinstrument begleitet; Chorstücke dagegen in voller Bandbesetzung mal suggestiv-insistierend wie das hymnische „Loblied auf Baal“ zu Beginn, mal mitreißend beschwingt wie das Schlusslied „Elias! Elias!“ mit Ohrwurmpotential. Überhaupt ist eindrucksvoll, wie die beiden Chöre der Kids und Teenies diese Stilwechsel mitvollziehen bis hin zum rhythmischen Sprechkanon mit dem Text „Flammen flackern, Funken fliegen, Feuer fällt vom Firmament“. Die Freude am gemeinsamen Singen ist ihnen dabei anzusehen und anzuhören. Einen musikalischen Höhepunkt stellte gegen Ende die Szene dar, in welcher Elias am Berg Horeb von Gott angesprochen wird. Sturm, Erdbeben und Feuer werden in der genannten Szene jeweils mit Band, Chorgesang und Lichteffekten musikalisch und optisch kraftvoll vergegenwärtigt. Dazwischen - und im ergreifenden Kontrast dazu mit zarter klarer Stimme gesungen - dringen drei Mal die Fragen des Elias zu Ohren und zu Herzen der Zuhörenden: „Bist du der Herr? Bist du nun hier?“ Die Chöre wiederholen dann diese Fragen jeweils wie ein Echo, treten dabei in die Rolle der Zuschauenden und beziehen so das Publikum mit ein: „Ist das der Herr? Ist er nun hier?“. Die Antwort: Der wahre Gott erscheint nicht mit Macht und Gewalt, sondern unscheinbar, zart und anrührend wie ein sanfter Windhauch.

Isebel, Ahab, Wolkenträgerin, Baalspriester
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Vor der Uraufführung in der "Maske": Lia Lorenz (Baalspriester), Greta Wirsing (Wolkenträgerin), Franka Wirsing (Königin Isebel), Hannah Möller (König Ahab), Mia Lorenz (Baalspriester) und Joscha Hahn (Baalspriester)

In diesen Minuten ist komprimiert zu erleben, was das ganze Werk als gelungenes Musical auszeichnet und das Publikum in Bann zieht: die Umsetzung einer spannenden, bedeutsamen Handlung in einer fein abgestimmten und schlüssigen Verflechtung der unterschiedlichen musikalischen Möglichkeiten von Chor, Sologesang und Instrumenten mit den darstellerischen Mitteln von Schauspiel, Bühnenbild und Licht. Zahlreiche meist erwachsene Mitwirkende sind dafür vor und während der Aufführungen auf und hinter der Bühne aktiv (gewesen): für die selbst geschneiderten Kostüme, die eindrucksvolle Kulisse in ihren verschiedenen Teilen, die „Maske“ der Hauptdarstellerinnen sowie die Licht- und Tontechnik. Als i-Tüpfelchen kommen auch noch die Auftritte zweier Kinder-Tanzgruppen dazu: der Städtische Schülerhort Brendlorenzen mit einem Bändertanz zum Thema „Feuer“ und die Tanzmädchen des TSV Hollstadt mit einer Choreografie zum Schlusslied. All die sind neben den Sängerinnen und Musikern, neben Anne Riegler als Komponistin und ihren Eltern als Hauptverantwortlichen mit gemeint, als das Publikum am Ende stehend Beifall spendet und nach Zugabe ruft. Mancher überlegt sogar, sich das Musical am zweiten Abend gleich nochmal anzusehen. So ging zumindest dieser Wunsch von Königin Isebel in Erfüllung, den sie hinter den Kulissen geäußert hatte: „Dass es gut läuft und es den Leuten gefällt und wir mit einem guten Gefühl rausgehen!“

Elias Himmelfahrt
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Es lief gut: Elias fährt auf dem Feuerwagen gen Himmel.